Presse in Oldenburg

Sehr geehrter Herr Kiefer,

 

Ihr Artikel in der NWZ von heute "Fallen wichtige Entscheidungen ohne Öffentlichkeit?" gibt den Diskussionsstand m.E. nicht ganz richtig wieder. Der OB hat in einer e-mail an die Fraktionsvorsitzenden auf die Möglichkeit hingewiesen, im Rat durch Beschluss Kompetenzen an den VA zu übertragen und auf zwei dazugehörige Schreiben des Innenministeriums verwiesen. Ich hatte dem auf der Telefonkonferenz am 27.03.20 entschieden widersprochen.

 

Auch CDU und Grüne wollten auf dieses Verfahren nicht eingehen. Dieser Weg,  auf den das Nds. Innenministerium aber auch nur als Möglichkeit hingewiesen hatte, wurde deshalb in Oldenburg nicht weiterverfolgt.

 

Sie haben in Ihrem Artikel geschrieben, dass das Innenministerium plane weitreichende Befugnisse auf den VA zu übertragen. Das würde gar nicht gehen. Das könnte nur der Rat selber tun, was ich für falsch hielte,  oder der Landtag müsste eine Änderung der Kommunalverfassung beschließen.

 

Ich selber habe in einer e-mail von gestern an die Kreisverbände der LINKEN hierzu auch als Landesvorstandsmitglied  kritisch Stellung genommen. (siehe unten)

Mit freundlichem Gruß

H.H. Adler

Keine Entmachtung gewählter Räte in der Zeit der Corona-Krise

 

Der nds. Innenministerium hat mit einem Rundschreiben vom 19.03.20 an die Landkreise, kreisfreien Städte und an die Region Hannover, verfasst von Herrn Steinmetz, unter Ziff. 1 darauf hingewiesen, dass die Allgemeinverfügung mit dem allgemeinen Veranstaltungsverbot wegen der Corona-Pandemie Sitzungen kommunale Vertretungen nicht betrifft. Es wird aber vorgeschlagen Sitzungen nur durchzuführen, soweit eine Beschlussfassung „zwingend notwendig“ ist. Das ist m.E. nicht zu beanstanden. Richtig ist auch der Hinweis in dem Rundschreiben, dass Vorschriften über die Öffentlichkeit von Sitzungen nicht außer Kraft gesetzt werden dürfen. Auch technische Hinweise zur Abstandseinhaltung der beteiligten Ratsmitglieder in diesem Schreiben sind natürlich zutreffend.

 

M.E. sollten wir ggf. auch sog Pairing-Vereinbarungen zustimmen, die in diesem Schreiben als Möglichkeit angesprochen sind, kleinere Sitzungen zu ermöglichen, in denen sich die politische Zusammensetzung des jeweiligen Gremiums maßstabsgerecht wiederspiegelt.

 

Unter Ziff. 2 wird dann aber im dritten Punkt angeregt, „durch Beschluss der Vertretung vorübergehend wichtige, konkret bestimmte Angelegenheiten bis auf weiteres dem Hauptausschuss zu übertragen.“ Das würde bedeuten, dass die Räte oder Kreistage kurz zusammenkommen müssten, um sich dann selbst zu entmachten und ihre Kompetenzen auf den nichtöffentlich tagenden Verwaltungsausschuss bzw. Kreisausschuss zu übertragen.

 

Das erinnert doch stark an das Ermächtigungsgesetz (Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich“) vom 23. März 1933 , mit dem Kompetenzen des Reichstages an die Regierung unter Reichskanzler Hitler übertragen wurden. Wir sollten solchen Ermächtigungsbeschlüssen m.E. nicht zustimmen.

 

Solche Beschlüsse sind nicht nur undemokratisch, sie sind auch gar nicht notwendig, weil der Hauptausschuss nach der Kommunalverfassung schon erhebliche Kompetenzen hat und sogar Umlaufbeschlüsse treffen kann. Im Übrigen können Ratsgremien auch mal Sitzungspausen machen und dann ggf. im Mai oder Juni wieder tagen. Beschlüsse werden ja auch aus anderen Gründen gelegentlich vertagt.

 

In einem weiteren Rundschreiben vom 25.03.20 versucht Herr Steinmetz seinen Vorschlag an die Kommunen zu erläutern. In diesem Schreiben weist er aber selbst auf § 89 des Kommunalverfassungsgesetzes hin, wo es heißt:

 

"In dringenden Fällen, in denen die vorherige Entscheidung der Vertretung nicht eingeholt werden kann, entscheidet der Hauptausschuss." Da diese Möglichkeit ja sowie so schon besteht, ist ein zusätzlicher Ermächtigungsbeschluss  völlig überflüssig und kann nur dazu führen unter dem Vorwand der Corona-Pandemie demokratische Rechte außer Kraft zu setzen. 

 

Hans-Henning Adler

Mitglied des Landesvorstandes NIedersachsen