Rathaus in Oldenburg

An den

Oberbürgermeister der Stadt

Markt 1

26122 Oldenburg         
                                                                                                                                                                            17.06.2021

Sehr geehrter Herr Krogmann,

Zu den nächsten Sitzungen des Kulturausschusses, des Verwaltungsausschusses und des Rates beantragen wir den Tagesordnungspunkt

Umgang mit dem Gedenkstein für „Wilhem den Großen“ in Donnerschwee, Anne-Frank- Platz

zu behandeln.

Dazu stellen wir den Antrag:

Der Gedenkstein über „Wilhelm den Großen“ auf dem Anne-Frank-Platz in Oldenburg Donnerschwee wird dort entfernt und in geeigneter Form als Zeugnis deutscher Geschichte archiviert.

Begründung:

Der Vorgang von 1869, bei dem der damalige König von Preussen bei einer Truppenschau Soldaten der Garnison Oldenburg stramm stehen ließ, ist keines Denkmals würdig. Der Gedenkstein erinnert an „Wilhelm den Großen“. Für diese Heraushebung des späteren deutschen Kaisers gibt es keine Begründung. Tatsächlich steht Kaiser Wilhelm I. für eine undemokratische Traditionslinie der deutschen Geschichte. Der Gedenkstein passt nicht auf den Anne-Frank-Platz in Donnerschwee, wo er nach einem zufälligen Fund neu herausgeputzt und aufgestellt wurde.
Wir haben nicht vergessen: Am 22. Oktober 1878 unterzeichnete Kaiser Wilhelm I. zum ersten mal das Reichsgesetz gegen die „gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie“. Es galt durch insgesamt vier Verlängerungen bis zum 30. September 1890.

Aufgrund des zunächst auf zweieinhalb Jahre befristeten und danach regelmäßig verlängerten Sozialistengesetzes wurden Unterverbände, Druckschriften und Versammlungen der Sozialdemokraten, namentlich der Sozialistischen Arbeiterpartei (SAP) und ihr nahestehender Organisationen, vor allem Gewerkschaften, verboten.

Verstöße gegen das Gesetz wurden mit Geldstrafen oder auch mit Gefängnishaft geahndet. Viele Sozialisten setzten sich unter dem politischen Druck des Gesetzes ins Exil ab, vor allem nach Frankreich, der Schweiz oder England. Unter ihnen war mit der damals Mitte 20-jährigen Clara Zetkin eine später prominente Wegbereiterin der sozialistischen Frauenbewegung.

Das Sozialistengesetz bekämpfte die Sozialdemokraten als „Reichsfeinde“. Die faktische politische Ausbürgerung der sozialdemokratischen Opposition ging mit einer sozialen Ausbürgerung einher, der zufolge Sozialdemokraten materiell entrechtet, am Arbeitsplatz verfolgt wurden und faktisch Berufsverbote erhielten.

Mit freundlichem Gruß

Hans-Henning Adler

Fraktionsvorsitzender