Rathaus in Oldenburg

 

26.02.2020

Sehr geehrter Herr Dr. Uhrhan,

zur nächsten Sitzung des Ausschusses für Stadtplanung und Bauen, des Verwaltungsausschusses und des Rates beantrage ich,

den Tagesordnungspunkt

Baulandbeschaffung durch Verkaufsverpflichtung von durch Bebauungsplan begünstigter Eigentümer

zu behandeln und stelle dazu den Antrag zu beschließen:

 

Grundsatzbeschluss über die Ausweisung neuer Grundstücke für den Wohnungsbau

 

Die Stadt Oldenburg wird in Zukunft neue Wohnbauflächen, die derzeit im privatem Eigentum stehen, erst dann durch einen Bebauungsplan als bebaubare Flächen ausweisen, wenn die Eigentümer der Grundstücke von diesen in Betracht kommenden Flächen vorher mindestens 50 % der Flächen zum Preis von Bauerwartungsland an die Stadt verkauft haben.

 

Begründung:

 

Um für untere und mittlere Einkommensschichten bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, ist der Erwerb zusätzlicher Grundstücke durch die Stadt Oldenburg erforderlich. Die städtischen Grundstücke am Fliegerhost und Am Bahndamm werden demnächst verbaut sein.

 

Neue Grundstücke in städtischem Eigentum können dazu verwendet werden, auf diesen Grundstücken selbst zu bauen (ggf. mit Hilfe der GSG oder anderer Akteure des sozialen Wohnungsbaus), die Flächen in Erbpacht zu niedrigem Erbpachtzins zu vergeben, natürlich mit der Auflage bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, oder im Wege der Konzeptvergabe zu verkaufen, wobei durch vertragliche Auflagen die Umsetzung sozialer Ziele zu sichern wäre.

 

Würden städtische Grundstücke gekauft, nachdem der Wert der Grundstücke durch Planungsentscheidungen kräftig gestiegen ist, wäre das ganze Vorhaben unsinnig, weil die privaten Eigentümer dann allein von den Wertsteigerungen profitieren würden und die Stadt dann auch für den sozialen Wohnungsbau viel zu teure Grundstücke erwerben würde. Deshalb ist eine andere Lösung anzustreben. Die Städte Münster und Göttingen zeigen hier Wege auf:

 

  1. In Münster gilt das vom Rat beschlossene „Modell Sozialgerechte Bodennutzung Münster (SoBo Münster)“. Münster ist eine wachsende Stadt, was zu einer verstärkten Nachfrage nach Wohnungen führt. Das Stadtplanungsamt schreibt deshalb:

 

„Eine quantitative Ausweitung von Bauland löst die Probleme nicht allein. Die Grundstückspreise sind mittlerweile so stark gestiegen, dass sie oft bis zu 50 % der Kosten eines Neubaus ausmachen. Das ist nicht nur eine Frage von Knappheit. Großinvestoren sind in den Bodenmarkt eingestiegen, haben die Preise nach oben getrieben – und statt Bauwilligen zur Verfügung zustehen, wird Boden vermehrt zum Spekulationsobjekt.“

 

Die Stadt bezieht sich dann auf das Bundesverfassungsgericht, das auch der frühere Wohnungsbauminister Hans Jochen Vogel in seinem neuen Buch („Mehr Gerechtigkeit“) zitiert. Es hatte schon am 12.01.1967 entschieden:

 

„Die Tatsache, dass der Grund und Boden unvermehrbar und unentbehrlich ist, verbietet es seine Nutzung dem unübersehbarem Spiel der freien Kräfte und dem Belieben des

Einzelnen vollständig zu überlassen. Eine gerechte Rechts- und Gesellschaftsordnung

zwingt vielmehr dazu, die Interessen der Allgemeinheit beim Boden in weit stärkerem Maße zur Geltung zu bringen als bei anderen Vermögensgütern.“ (BVerfGE21,73)

 

Die Stadt Münster führt dann weiter in ihrer Broschüre aus:

 

„Der entscheidende Hebel liegt in der kommunalen Planungshoheit. Denn es ist die Stadt, die darüber entscheidet, ob eine Fläche überhaupt zu Bauland werden kann – und zu welchen Bedingungen. Münsters Modell der Sozialgerechten Bodennutzung nutzt genau dies, um auf den derzeit überhitzten Bodenmarkt steuernd einzuwirken.“

 

Deshalb bemüht sich die Stadt für öffentlich gefördertes und förderfähiges Wohnen Grundstücke aufzukaufen, auch um den Zugang breiter Kreise der Bevölkerung zum Hauseigentum zu ermöglichen.

 

Und das geht so: Eine Fläche im Außenbereich (d.h. dort, wo noch kein Bebauungsplan das Bauen erlaubt hat) wird planerisch vorrangig als neues Bauland erst dann entwickelt, wenn die Eigentümer mindestens 50 % der Fläche zuvor an die Stadt veräußert haben. So kann die Stadt Grundstücke erwerben und damit Kommunalpolitik gestalten – für sozialen Wohnungsbau oder zur Weitergabe an Familien zur Eigenheimbebauung – nach sozialen Kriterien und nicht nach den Gesetzen des Marktes.

 

Weiter ist vorgesehen, dass mit den Eigentümern ein städtebaulicher Vertrag für die verbleibenden Flächen geschlossen wird, durch den sich die Eigentümer verpflichten müssen, sich an den Erschließungs- ,Entwässerungs-, Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen und an den Kosten der sozialen und Infrastruktur ( z.B. Kinderspielplätze, Grundschule usw.) sowie den Kosten der Grünflächen zu beteiligen.

  1. Im „Kommunalen Handlungskonzept zur Schaffung und Sicherung von bezahlbarem Wohnen“ der Stadt Göttingen heißt es auf S. 25:

„ Eine verbindliche Bauleitplanung wird nur begonnen, wenn die betreffenden Flächen zu mindestens 50 % im direkten Zugriff der Stadt Göttingen stehen und die Alteigentümer/innen darüber hinaus im Wesentlichen auf die planungsbedingte Bodenwertsteigerung verzichten. Hierzu wird über eine deduktive Wertermittlung, ausgehend von einem Maximal verträglichen Baulandpreis, ein Preisniveau für das Bauerwartungsland festgelegt, welches zu einem Übernahmeangebot führt, oder zu einer vertraglichen Verpflichtung, sich an den Entwicklungskosten zu beteiligen und den o.g. Maximalwert bei einer Baulandveräußerung nicht zu überschreiten.“

Die Grundidee des beantragten Grundsatzbeschlusses beruht darauf, die Ungerechtigkeit zu bekämpfen, die darin besteht, dass nach dem bestehenden Baurecht die Abwertung eines Grundstücks durch einen Bebauungsplan Entschädigungsansprüche des betroffenen Eigentümers auslöst, im umgekehrten Fall der Eigentümer einer durch Bebauungsplan aufgewerteten Grundstücksfläche diesen Mehrwert ungekürzt und unversteuert für sich behalten kann, ohne dafür jemals arbeiten zu müssen.

Erste praktische Anwendung der neuen Regelung könnte die neue Regelung z.B. bei der In Aussicht genommenen Randbebauung des Weißenmoor-Gebiets und der Südbäke-Niederung erlangen.

 

Weitere Begründung erfolgt mündlich.

 

Adler

Fraktionsvorsitzender