Rathaus in Oldenburg

30.01.2020

Sehr geehrte Frau Sachse,

für die nächste Sitzung des Sozialausschusses beantragen wir, den Tagesordnungspunkt „Grauer Wohnungsmarkt“ zu behandeln und stellen hierfür den folgenden Antrag:

 

Die Verwaltung wird beauftragt,

Informationen über den „grauen Wohnungsmarkt“, wie er von der Diakonie Oldenburg beschrieben worden ist, zusammenzustellen und hierüber gegenüber dem Sozialausschuss zu berichten,und hierbei insbesondere die festgestellten Wohnverhältnisse auf ihre baurechtliche Zulässigkeit zu überprüfen, und weiter

zu überprüfen, ob die von Vermietern beanspruchten Mieten der Höhe nach den Grenzen des § 291 StGB und § 5 WStGB entsprechen und ggf. Straf- oder Ordnungswidrigkeitsanzeigen zu erstatten,

Im Rahmen des erbetenen Berichts soll auch geprüft werden, ob es nicht angezeigt ist, ein Informationsblatt für Mieter zu erstellen, die ein Mietverhältnis „zum vorübergehenden Gebrauch“ begründet haben, in dem sie über ihre Mieterrechte informiert werden,

Weiter wird die Verwaltung gebeten zu prüfen, ob es nicht sinnvoll ist, selbst ein Wohngebäude auf städtischem Grundstück zu errichten oder in Erbpacht an einen gemeinnützigen Träger zu vergeben, um kurzfristige Mietverträge zu fairen Bedingungen anbieten zu können.

 

Begründung:

Auf der Sitzung des Arbeitskreises „Bündnis Wohnen in Oldenburg am 22.10.19 hatte Herr Buse von der Diakonie anhand einer Präsentation die Situation auf dem „Grauen Woh-nungsmarkt“ in Oldenburg erläutert, insbesondere Ausmaß, Bedingungen und den Kreis der Betroffenen beschrieben:

- Auf dem „Grauen Wohnungsmarkt“ werden unter fraglichen Mietbedingungen möblierte Zimmer an meist sozial schwache Personen zu extrem hohen Quadratmeterpreisen vermietet. Diese kommen vor allem aus der Personengruppe alleinstehender Männer und haben eine unsichere Einkommenssituation sowie oftmals eine negative Wohnbiographie. Dieser Personenkreis wird daher oftmals als nicht marktnah bezeichnet und hat größte Schwierigkeiten, auf dem allgemeinen, regulären Wohnungsmarkt Wohnraum zu mieten.

- In Oldenburg hat sich der „Graue Wohnungsmarkt“ in den letzten Jahren vergrößert. Bekannt sind derzeit ca. 20 Adressen, die diesem Markt zuzurechnen sind. Schätzungsweise gibt es rund 300 - 500 Mieter, die in diesem „Grauen Wohnungsmarkt“ unterkommen. Konkrete oder systematisch erfasste Zahlen liegen nicht vor.

- Die Bewohner beziehen in der Mehrzahl staatliche Transferleistungen (SGB II und SGB XII), so dass die Mieten größtenteils von der öffentlichen Hand bezahlt werden.

- Seitens Herrn Buse wird die Bildung einer ämterübergreifenden Arbeitsgruppe (ggf. unter Beteiligung weiterer Akteure, z. B. Jobcenter, Diakonie) mit folgenden Aufgaben vorgeschlagen: Erstellung einer Übersicht der privaten Unterkunftsanbieter, Festlegung von Standards, Kommunikation mit den Anbietern. Zudem sollen mehr ambulant betreute Wohnplätze für Menschen in besonderen sozialen Problemlagen in der Stadt Oldenburg entstehen.

In der anschließenden Diskussion werden seitens des psychiatrischen Dienstes die Entwicklungstendenzen auf dem „Grauen Wohnungsmarkt“ bestätigt. Ebenso werden Aspekte wie die Möglichkeiten einer strafrechtlichen Verfolgung, eines Einschreitens/Prüfens aus bauordnungsrechtlicher Sicht bezgl. Brandschutz etc. angesprochen.(Auszug aus dem Protokoll) .

Wie schon im „Bündnis für Wohnen“ festgestellt worden ist, sollten die bestehenden Wohnverhältnisse auf die Vereinbarkeit mit der Nds. Bauordnung überprüft werden.

Auch soweit stark überhöhte Mieten verlangt werden, Herr Buse berichtete von Mietverhältnissen mit 25 bis 30 € Miete pro qm Wohnfläche, sollte geprüft werden, ob hier auch Verstöße gegen die gesetzlichen Bestimmungen zum Mietwucher oder der Mietpreisüberhöhung vorliegen.

Ganz offensichtlich werden in Oldenburg von bestimmten Vermietern Mietverhältnisse nach § 549 (2) BGB begründet, um den allgemeinen Mieterschutz zu umgehen, obwohl die gesetzlichen Voraussetzungen gar nicht vorliegen, weil ein Anlass für den „vorübergehenden Gebrauch“ gar nicht besteht.. Die gesetzliche Folge ist, dass in diesen Mietverhältnissen – unabhängig davon, was im Mietvertrag steht – die Mieterschutzregeln des BGB gelten. Die Bewohner wissen das aber wahrscheinlich gar nicht. Dies hat u.a. zur Folge, dass Mietverhältnisse nur unter Beachtung der Wohnraumkündigungsfristen ( 3 Monate) und auch nur dann gekündigt werden können, wenn ein besonders Vermieterinteresse nachgewiesen ist (z.B. Eigenbedarf).

In Oldenburg ist z.B. ein Vermieter B. bekannt, der in größerem Umfang Mietverhältnisse zum vorübergehenden Gebrauch vermietet und in diesen Mietverträgen die Mieter als „Gast“ bezeichnet, was rechtlich zwar irrelevant ist, bei den Mietern aber den Eindruck erweckt, dass es für sie überhaupt keinen Mieterschutz gäbe.

Natürlich besteht auf dem Wohnungsmarkt auch ein Bedürfnis für anlassbezogene kurzfristige Mietverhältnisse, z.B. für Montagearbeiter, für die eine Hotelunterbringung zu teuer ist. Um zu verhindern, dass diese Nachfrage durch unseriöse Vermieter befriedigt oder kurzfristige anlasslose Mietverhältnisse angeboten werden, sollte die Stadt selbst ein Angebot mit fairen Bedingungen schaffen, um den Sumpf des „grauen Wohnungsmarkts“ auch auf diese Weise trocken zu legen.

Zum Hintergrund wird hier auf die bestehenden rechtlichen Rahmen dieser Wohnverhältnisse im Zivilrecht, im Strafrecht und im öffentliche Baurecht hingewiesen. Im Einzelnen:

A. Zivilrecht

Nach § 549 (2) BGB sind bestimmte Wohnraummietverhältnisse von den allgemeinen Bestimmungen zum Schutz der Mieter ausgeschlossen:

(2) Die Vorschriften über die Miethöhe bei Mietbeginn in Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten (§§ 556d bis 556g), über die Mieterhöhung (§§ 557 bis 561) und über den Mieterschutz bei Beendigung des Mietverhältnisses sowie bei der Begründung von Wohnungseigentum (§ 568 Abs. 2, §§ 573, 573a, 573d Abs. 1, §§ 574 bis 575, 575a Abs. 1 und §§ 577, 577a) gelten nicht für Mietverhältnisse über

1.Wohnraum, der nur zum vorübergehenden Gebrauch vermietet ist,

2.Wohnraum, der Teil der vom Vermieter selbst bewohnten Wohnung ist und den der Vermieter überwiegend mit Einrichtungsgegenständen auszustatten hat, sofern der Wohnraum dem Mieter nicht zum dauernden Gebrauch mit seiner Familie oder mit Personen überlassen ist, mit denen er einen auf Dauer angelegten gemeinsamen Haushalt führt,

3.Wohnraum, den eine juristische Person des öffentlichen Rechts oder ein anerkannter privater Träger der Wohlfahrtspflege angemietet hat, um ihn Personen mit dringendem Wohnungsbedarf zu überlassen, wenn sie den Mieter bei Vertragsschluss auf die Zweckbestimmung des Wohnraums und die Ausnahme von den genannten Vorschriften hingewiesen hat.

(3) Für Wohnraum in einem Studenten- oder Jugendwohnheim gelten die §§ 556d bis 561 sowie die §§ 573, 573a, 573d Abs. 1 und §§ 575, 575a Abs. 1, §§ 577, 577a nicht.

Nach § 573c BGB  gilt für Wohnverhältnisse grundsätzlich eine dreimonatige Kündigungsfrist. Absatz 2 bestimmt aber:

(2) Bei Wohnraum, der nur zum vorübergehenden Gebrauch vermietet worden ist, kann eine kürzere Kündigungsfrist vereinbart werden.

Was ist aber vorübergehenden Gebrauch ?

Ein "vorübergehender Gebrauch" im Sinne dieser Vorschrift liegt nicht schon bei einer vertraglichen Befristung der Gebrauchsüberlassung vor. Vielmehr muss nach dem Gebrauchszweck das Ende des Mietverhältnisses entweder zeitlich genau fixierbar oder von einer Bedingung abhängig sein, deren Eintritt in naher Zukunft gewiss ist.

Daher ist ein Wohnraum nur dann vorübergehend vermietet, wenn ein vorübergehender Sonderbedarf gedeckt werden soll. In einem solchen Fall muss nicht nur die kurzfristige Vertragsdauer, sondern auch der Vertragszweck, der sachlich die Kurzfristigkeit begründet, genannt sein. Allein die Tatsache, dass Wohnraum möbliert vermietet wird, genügt für die Annahme eines vorübergehenden Gebrauchs nicht.

Typische Fälle von vorübergehender Vermietung sind z.B. die Vermietung von Hotelzimmern und Ferienwohnungen, Unterkünfte für die Dauer einer Messe, Unterbringung eines auswärtigen Monteurs oder eines ausländischen Wissenschaftlers bis zur Erledigung des Arbeitsziels , Untervermietung während eines Auslandsaufenthalts des Mieters (Palandt Kommentar zum BGB § 549 Anm. 4).

 

  1. Strafrecht

 

Eine Grenze gegen überhöhte Mietforderungen setzt § 291StGB, wo es heißt:

§ 291 StGB Wucher

(1) Wer die Zwangslage, die Unerfahrenheit, den Mangel an Urteilsvermögen oder die erhebliche Willensschwäche eines anderen dadurch ausbeutet, dass er sich oder einem Dritten

  1. für die Vermietung von Räumen zum Wohnen oder damit verbundene Nebenleistungen,

...

Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung oder deren Vermittlung stehen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Wirken mehrere Personen als Leistende, Vermittler oder in anderer Weise mit und ergibt sich dadurch ein auffälliges Missverhältnis zwischen sämtlichen Vermögensvorteilen und sämtlichen Gegenleistungen, so gilt Satz 1 für jeden, der die Zwangslage oder sonstige Schwäche des anderen für sich oder einen Dritten zur Erzielung eines übermäßigen Vermögensvorteils ausnutzt.

(2) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

  1. durch die Tat den anderen in wirtschaftliche Not bringt,
  2. die Tat gewerbsmäßig begeht,
  3. sich durch Wechsel wucherische Vermögensvorteile versprechen lässt.

 

Wucher wird allgemein angenommen, wenn die Miete mehr als 50 % über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegt ( Tröndle/Fischer Komentar zum StGB § 291 Anm. 17)

Weniger bekannt ist:

  • 5 des Wirtschaftsstrafgesetzes, das die Mietpreisüberhöhung ahndet:

(1) Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder leichtfertig für die Vermietung von Räumen zum Wohnen oder damit verbundene Nebenleistungen unangemessen hohe Entgelte fordert, sich versprechen lässt oder annimmt.

 (2) Unangemessen sind Entgelte, die infolge der Ausnutzung eines geringen Angebots an vergleichbaren Räumen die üblichen Entgelte um mehr als 20 vom Hundert übersteigen, die in der Gemeinde oder in vergleichbaren Gemeinden für die Vermietung von Räumen vergleichbarer Art, Größe, Ausstattung, Beschaffenheit und Lage oder damit verbundene Nebenleistungen in den letzten sechs Jahren vereinbart oder, von Erhöhungen der Betriebskosten abgesehen, geändert worden sind. Nicht unangemessen  sind Entgelte, die zur Deckung der laufenden Aufwendungen des Vermieters erforderlich sind, sofern sie unter Zugrundelegung der nach Satz 1 maßgeblichen Entgelte nicht in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung des Vermieters stehen.

(3) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu fünfzigtausend Euro geahndet werden.

 

  1. Bauordnungsrecht (Aufzählung der wichtigsten Vorschriften)

§ 3 Nds. Bauordnung Allgemeine Anforderungen

(1)  Bauliche Anlagen müssen so angeordnet, beschaffen und für ihre Benutzung geeignet sein, dass die öffentliche Sicherheit, insbesondere Leben und Gesundheit, sowie die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere nicht gefährdet werden.  Unzumutbare Belästigungen oder unzumutbare Verkehrsbehinderungen dürfen nicht entstehen.

(2)  Bauliche Anlagen müssen den allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse entsprechen. 

 (4)  Bauliche Anlagen dürfen erst in Gebrauch genommen werden, wenn sie sicher benutzbar sind. Sie sind so instand zu halten, dass die Anforderungen nach den Absätzen 1 bis 3 gewahrt bleiben.

§ 14 Brandschutz

 1 Bauliche Anlagen müssen so errichtet, geändert und instand gehalten werden und so angeordnet, beschaffen und für ihre Benutzung geeignet sein, dass der Entstehung eines Brandes sowie der Ausbreitung von Feuer und Rauch (Brandausbreitung) vorgebeugt wird und bei einem Brand die Rettung von Menschen und Tieren sowie wirksame Löscharbeiten möglich sind.  Soweit die Mittel der Feuerwehr zur Rettung von Menschen nicht ausreichen, sind stattdessen geeignete bauliche Vorkehrungen zu treffen.

§ 16 Verkehrssicherheit

(1) Bauliche Anlagen sowie Verkehrsflächen in baulichen Anlagen und auf dem Baugrundstück müssen verkehrssicher sein.

§ 44 Wohnungen

 (1) Jede Wohnung muss von anderen Wohnungen oder anderen Räumen baulich abgeschlossen sein und einen eigenen abschließbaren Zugang unmittelbar vom Freien oder von einem Treppenraum, Flur oder Vorraum haben.  Satz 1 gilt nicht für Wohngebäude mit nicht mehr als zwei Wohnungen.  Werden Wohnungen geteilt, so müssen die Anforderungen nach Satz 1 nicht erfüllt werden, wenn unzumutbare Belästigungen oder erhebliche Nachteile für die Benutzerinnen und Benutzer der Wohnungen nicht entstehen.

 (2)  In Gebäuden, die nicht nur dem Wohnen dienen, müssen Wohnungen einen eigenen Zugang haben.  Gemeinsame Zugänge sind zulässig, wenn Gefahren oder unzumutbare Belästigungen für die Benutzerinnen und Benutzer der Wohnungen nicht entstehen.

 (3)  Jede Wohnung muss eine Küche oder Kochnische haben.  Küchen und Kochnischen sind ohne Fenster zulässig, wenn sie wirksam gelüftet werden können.

(4) In Gebäuden mit mehr als zwei Wohnungen oder auf dem Baugrundstück solcher Gebäude muss

  1. leicht erreichbarer und gut zugänglicher Abstellraum für Rollatoren, Kinderwagen und Fahrräder sowie
  2. Abstellraum für jede Wohnung

in ausreichender Größe zur Verfügung stehen.

§ 45 Toiletten und Bäder

 (1)  Jede Wohnung muss mindestens eine Toilette sowie eine Badewanne oder Dusche haben. 2 Für bauliche Anlagen, die für einen größeren Personenkreis bestimmt sind, muss eine ausreichende Anzahl von Toiletten vorhanden sein.

(2) Toilettenräume und Räume mit Badewannen oder Duschen müssen wirksam gelüftet werden können.

 

Hans-Henning Adler Manfred Klöpper

Gruppenvorsitzender Ratsmitglied im Sozialausschuss