Rathaus in Oldenburg

An den Baudezernenten der Stadt Technisches Rathaus Industriestr. 26121 Oldenburg                                                                                             02.08.2019

Sehr geehrte Herr Dr. Uhrhan,

Für die nächste Sitzung des Bahnausschusses und die darauf folgenden Sitzungen des Verwaltungsausschusses und des Rates stelle ich für unsere Gruppe den folgenden Antrag:

 

Die Stadt Oldenburg wird den Planfeststellungsbeschluss des Eisenbahnbundesamtes zum Planfeststellungsabschnitt 1 zum Ausbau der Eisenbahnbestandsstrecke mit einer Klage beim Bundesverwaltungsgericht anfechten und gleichzeitig einstweiligen Rechtsschutz beantragen, um zu verhindern, dass mit einem Beginn der Arbeiten an der Strecke vollendete Tatsachen geschaffen werden, bevor das Bundesverwaltungsgericht über die Klage der Stadt und sicherlich auch anderer Kläger entschieden hat.

 

Begründung:

 

Die für das Planfeststellungsverfahren 1 zum Ausbau der Eisenbahnbestandsstrecke in Oldenburg maßgebliche Vorschrift steht im § 18 Abs. 1 des Allgemeinen Eisenbahngesetz (AEG). Danach muss eine solche Planungsentscheidung alle privaten und öffentlichen Belange gerecht „abwägen“.

 

Was das heißt, hat wiederholt das Bundesverwaltungsgericht definiert: „Dabei müssen auch sich ernsthaft anbietende Alternativlösungen bei der Zusammenstellung des abwägungserheblichen Materials berücksichtigt werden und mit der ihnen objektiv zukommenden Bedeutung in die vergleichende Prüfung der von den möglichen Alternativen jeweils berührten öffentlichen und privaten Belange Eingang finden“ - so zuletzt im Urteil v. 12.07.2018 - 7 B 15/17.

 

Dieser zwingend vorgeschriebenen Alternativenprüfung hat sich das Eisenbahnbundesamt beim jetzt bekannt gewordenen Planfeststellungsbeschluss mit zwei leicht durchschaubare Taschenspielertricks einfach entzogen.

Auf Seite 96 des Planfeststellungsbeschlusses führt das Bundesamt aus, dass in der Anlage zum Bundesschienenausbaugesetz unter Nr. 28 die Strecke OldenburgWilhelmshaven mit dem Kürzel „ABS“ versehen wurde, was Ausbaustrecke heißt, und nicht das Kürzel „NBS“ für Neubaustrecke verwendet wurde, weshalb das Bundesamt meint, es sei kraft Gesetz daran gehindert auch einen anderen Streckenverlauf – etwa in Oldenburg entlang der A29 – zu prüfen. Das kann aber nicht überzeugen, weil im Rahmen der ABS-Strecke Oldenburg-Wilhelmshaven auch die Umfahrung von Sande geplant wurde. Hier waren die drei Buchstaben in der Anlage des Gesetzes kein Hinderungsgrund. Die Planung der Umfahrung von Sande wäre nach dieser Logik ja gesetzeswidrig. Tatsächlich wird durch das Bundesschienenausbaugesetz auch nur der Bedarf der in der Anlage genannten Strecken rechtlich verbindlich gemacht, nicht der Streckenverlauf, was sich aus § 1 Abs. 2 BSWAG auch klar ergibt. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 21.12.13 zum PFA 2 (Strecke Rastede - Hahn) dieses Argument auch nicht aufgenommen.

 

Das Eisenbahnbundesamt zaubert dann noch neue Prognosezahlen für den durch den Jade-Weser-Port erzeugten zusätzlichen Güterbahnverkehr aus dem Hut, in dessen Folge die Belastungen für Oldenburg so „moderat“ (S.100) sind, das sie den plangegebenen Vorbelastungen entsprechen, (S. 81) Plangegebene Vorbelastungen sind Erhöhungen der Zugzahlen, die auch ohne den Jade-Weser-Port und die damit verbundene Elektrifizierung und den zweigleisigen Ausbau hinzunehmen wären.

 

Im bisherigen Anhörungsverfahren waren die beteiligten Behörden von der Prognose für 2025 ausgegangen, nach der 44 Reisezüge und 77 Güterzüge auf der Bestandsstrecke pro Tag zu erwarten sind. Im Rahmen der Einwendungen war dann geltend gemacht worden, dass dieser Prognosezeitraum zu kurz ist und nach 2025 noch höhere Zahlen zu erwarten sind. Nun teilt das Eisenbahnbundesamt überraschend mit, dass nach einer neuen Prognose für 2030 nur noch mit 39 Güterzügen und 48 Reisezügen gerechnet wird.

 

Wenn man dann im Text nach einer Begründung für dieses erstaunliche Ergebnis sucht, findet man den folgenden Satz:

 

„Wesentlicher Grund für die Halbierung des erwarteten Schienenverkehrsaufkommens sind die niedrigen Erwartungen in der Entwicklung des Seehafenumschlags und im Seehinterlandverkehr aufgrund der außenwirtschaftlichen Veränderungen nach der Finanzkrise.“ (S. 80)

 

Nun war die Finanzkrise 2008/2009. Deshalb erschließt sich daraus kein neuer Erkenntnisgewinn im Jahre 2019. Außerdem sind diese neuen Zahlen durch nichts begründet. Die Entscheidung eines chinesischen Staatsreeders kann von einem auf den anderen Tag diese Prognose über den Haufen werfen. Hierbei wird auch nicht berücksichtigt, dass die Landesregierung schon lange die sog. 2. Ausbaustufe des Hafens plant. Schließlich werden die neuen Zahlen auch noch damit begründet, dass 60 % des Containerverkehrs in Wilhelmshaven durch das Umladen auf kleinere Schiffe bewältigt wird und von den verbleibenden 40 % noch mal 77 % auf LKWs über die Straße transportiert werden. Diese Aufteilung kann sich aber jederzeit ändern, insbesondere, wenn aus nachvollziehbaren Gründen des Klimaschutzes der LKW-Anteil reduziert wird.

 

Diese so gerechneten Zahlen sind dann die Grundlage, jegliche Abwägung durch Alternativenprüfung schlicht zu verweigern, weil der zu erwartende Güterverkehr auf der Schiene ja nur „moderate Auswirkungen“ hätte. Damit verstößt das Eisenbahnbundesamt auch gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zum PFA 2 , wonach sogar „ungeachtet der Einhaltung der plangegeben Vorbelastung der Beachtung der grundrechtlichen Zumutbarkeitsschwelle eine maßgebliche Bedeutung“ zukomme (Ziff. 46).

 

Die Weigerung des Bundesamtes überhaupt in eine Alternativenprüfung einzutreten, verhindert den Blick auf die offensichtlichen Vorteile einer Umfahrungstrasse entlang der A 29, nämlich weniger Lärm, weniger Erschütterungen, besserer Zugang zu Unfallstellen bei Havarien, keine Verschandlung des Stadtbildes durch riesige Schallschutzwände, geringere Eingriffe in die Umwelt und kein Nachteil des Ausbaus bei gleichzeitigem Betrieb. Schließlich verweigert sich das Eisenbahnbundesamt auch die sogenannten Fernwirkungen in Betracht zu ziehen, die nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aber zwingend bei einer gerechten Abwägung zu beachten sind: Beim Ausbau der Bestandsstrecke werden die Verkehrsprobleme der höhengleichen Bahnübergänge an der Stedinger Straße und und an der Straße Am Stadtrand dramatisch verschärft. Der Binnenschiffsverkehr wird zusätzlich belastet. Die Brücke am Pferdemarkt, die gar nicht schallgeschützt wird und deren Belastbarkeit durch zusätzlichen Verkehr fraglich ist, hat das Eisenbahnbundesamt ja auch außen vor gelassen, weil man den Planungsabschnitt 1 nicht bis zum Bahnhof sondern nur bis zum Kilometer 0,841 vor dem Bahnhof zugeschnitten hat.

 

Die Stadt ist deshalb aufgefordert diesen Plan durch Klage beim Bundesverwaltungsgericht anzufechten. Über 10.000 Einwenderinnen und Einwender aus der Stadt werden dies auch erwarten.

 

Hans-Henning Adler Fraktionsvorsitzender